Nein, es hat nichts mit Tischerl-Rücken zu tun. Auch nicht mit Pentagrammen oder mit Pendeln. Eine Person, die sich als „Medium“ bezeichnet, braucht man erst recht nicht. Denn wer heutzutage mit Toten kommunizieren will, sollte nicht an Übersinnliches glauben, sondern vielmehr an High Tech. Immer mehr Technologie-Unternehmen arbeiten nämlich daran, Menschen auch nach ihrem Tod, nun ja, am Leben zu erhalten. Möglich machen das Künstliche Intelligenzen (KI), die mit möglichst vielen persönlichen Daten einer Person gefüttert werden – am besten vor deren Ableben. Denn so ist es möglich, gezielt ganz persönliche Fragen zu beantworten oder diverse Satzbausteine einzusprechen, die dann vor der KI verarbeitet werden können. So kann von der Originalstimme bis hin zu Videos der geliebten Menschen alles “überleben”. So wird es möglich, mit Toten zu sprechen.
Stimmen aus dem Jenseits
So, wie wir es bereits von Alexa, Siri und Co. kennen, kann auch jede andere Stimme mit uns sprechen. Auch eine, die keinem lebenden Menschen mehr gehört. So hat beispielsweise das kalifornische Unternehmen HereAfter AI eine App entwickelt, die genau das bietet: Gespräche mit Menschen, die nicht mehr unter uns weilen.
Um das zu erreichen, geben Menschen in stundenlangen Interviews Antworten auf zahlreiche Fragen, die mittels KI dann gezielt über die App ausgespielt werden. Die Fragen beinhalten quasi alles aus dem Leben der Kundinnen und Kunden, inklusive höchstprivater Details: Von frühkindlichen Erinnerungen über die erste große Liebe bis hin zu den Vorstellungen über das Leben nach dem Tod.
Man kann den Katalog auch durch auch eigene Fragen ergänzen lassen – so werden die Aufzeichnungen noch individueller und persönlicher. Auch eine Reihe von Standardsätzen wie „Wie geht’s dir?“ oder „Ich liebe dich!“ werden eingespielt. Ist der Avatar nach einigen Wochen erstellt, kann man sich mit ihm unterhalten, ihm Fragen stellen, sich Geschichten aus seinem Leben erzählen lassen.
Mit Toten sprechen – und sie sehen
HereAfter (dt. “Jenseits”) will damit aber nicht nur Trauerende ansprechen, sondern auch Hinterbliebenen die Möglichkeit geben, Verstorbene (besser) kennenzulernen. Enkelkinder könnten so zum Beispiel mit Großeltern kommunizieren, die sie nie persönlich getroffen haben.
Das US-Unternehmen StoryFile Inc., ebenfalls in Kalifornien beheimatet, geht sogar noch einen Schritt weiter: Videos von Personen, die Hunderte Fragen beantwortet haben, werden (natürlich ebenfalls durch Künstliche Intelligenz) „lebendig“. Wie bei HereAfter beantworten die Interviewten Fragen und erzählen aus ihrem Leben, nur eben noch realitätsnaher mittels Video.
Auf der StoryFile-Website besteht die Möglichkeit, das Feature selbst auszuprobieren – auch mit Prominenten. So bieten sich unter anderem die erst im Februar 2023 verstorbene Holocaust-Überlebende Rose Schindler oder der als “Captain Kirk” weltbekannte Schauspieler William Shatner als Gesprächspartner:in an.
Sowohl StoryFile als auch HereAfter betonen jedenfalls, es gehe ihnen insbesondere darum, Erinnerungen an geliebte Menschen zu bewahren und hochzuhalten. „Echte“ Konservation mit den Toten ist nicht das Ziel. Zumindest noch nicht.
Niemals ersetzbar
Derartige Entwicklungen beinhalten nämlich auch immer das Thema Ethik. Noch können KI keine selbständigen Gespräche führen, noch können sie nicht selbst „denken“, sondern sind voll und ganz auf die aufgezeichneten Worte der Kund:innen angewiesen.
Sollte sich das einmal ändern, stellt sich allerdings die Frage, inwieweit Technologie einen verstorbenen Menschen “wiederbeleben”, vielleicht gar ersetzen darf. Oder ist es sogar schon zu viel, mit Toten sprechen zu wollen?
In der TV-Serie „Black Mirror”, die technologische Errungenschaft unserer Zeit kritisch beleuchtet, wurde ebendies bereits thematisiert, als es in der Realität noch gar nicht möglich war: Die Folge „Be Right Back“ (deutscher Titel: “Wiedergänger”) aus dem Jahr 2013 zeigt die Auswirkungen einer Künstlichen Intelligenz, die es Hinterbliebenen ermöglicht, mit Toten zu kommunizieren und schließlich sogar, sie als lebensechte Androiden in ihr Leben zurückzuholen. Spoiler: Glücklich wird die trauernde Protagonistin nicht, da ihr verstorbener Ehemann niemals tatsächlich ersetzt werden kann.
Und genau so soll es wohl auch sein.


