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Zentralfriedhof: Proteste, Promis, Parkidylle

Der Wiener Zentralfriedhof ist Sehenswürdigkeit, Erholungsgebiet und Pilgerstätte in einem. Wien liebt ihn als (s)ein Wahrzeichen – doch dem war nicht immer so …

Zentralfriedhof
Zweieinhalb Quadratkilometer Erholungsraum (c) Friedhöfe Wien
Zentralfriedhof Kirche
Friedhofskirche “Zum Heiligen Karl Borromäus” (c) Friedhöfe Wien

Knapp zweieinhalb Quadratkilometer Fläche. 330.000 Grabstellen. Mit rund drei Millionen Bestatteten der größte Friedhof Europas. Es fällt schwer, nicht mit Superlativen zu kommen, wenn von ihm die Rede ist: Dem Wiener Zentralfriedhof. Er gehört zur Bundeshauptstadt wie der Stephansdom, das Riesenrad und die grantigen Kaffeehauskellner, über ihn lassen Herr und Frau Wiener:in nichts kommen. Und das nicht erst seit Wolfgang Ambros’ Kultsong.

Die Stadt der Toten

Doch dem war nicht immer so. Die Liebe der Wienerinnen und Wiener musste sich der Zentralfriedhof erst hart erarbeiteten, denn anfangs wurde ihm strikte Ablehnung entgegengebracht. Aber der Reihe nach: Im Jahr 1784 hatte Kaiser Joseph II. verfügt, alle Friedhöfe im Wiener Stadtgebiet innerhalb des Linienwalls (dessen Verlauf jenem des heutigen Gürtels entsprach) aufzulassen und stattdessen außerhalb fünf kommunale Friedhöfe anzulegen: den Sankt Marxer, den Hundsturmer, den Matzleinsdorfer, den Währinger sowie den Schmelzer Friedhof. Bis heute gibt es in Wien übrigens keine städtischen Friedhöfe innerhalb des Gürtels.

Aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate im 19 Jahrhundert waren die Gemeindefriedhöfe aber schon bald nicht mehr aufnahmefähig; 1860 begann die Suche nach einem geeigneten Areal für ein neues Friedhofsgelände, das groß genug war, um niemals an eine Kapazitätsgrenze zu stoßen. In Kaiserebersdorf, an der Grenze zu Simmering weit außerhalb der eigentlichen Stadt, wurde man fündig. Nach dreijähriger Bauzeit wurde die “Totenstadt” schließlich eröffnet, die erste Einzelbestattung fand am 1. November 1874 statt. Das Grab von Jakob Zelzer ist noch heute neben dem Verwaltungsgebäude an der Friedhofsmauer zu finden.

Imageproblem

Doch der Widerstand gegen den neuen Friedhof war bereits davor groß gewesen. Die Konfessionslosigkeit der Begräbnisstätte sowie der Ausschluss einer klerikalen Ministerialgewalt erzürnte die Kirche und sorgte noch vor der offiziellen Eröffnung für vehemente Proteste. Zudem war der Weg über Simmering hinaus ein beschwerlicher, sowohl für Besucherinnen und Besucher als auch für Totentransporte. Scheinbar nicht enden wollende Pferdegespann-Leichenzüge auf der Simmeringer Hauptstraße waren die Folge – man kann sich die Freude der dort lebenden Bevölkerung darüber sehr gut vorstellen.

Zudem gab es die heutige Vegetation auf dem Zentralfriedhof vor über 150 Jahren noch nicht. Das riesige Gelände war karg, die Gebäude noch nicht errichtet, es existierte noch nicht einmal eine direkte Bahnverbindung. Um das Image des ungeliebten Friedhofs aufzupeppen, wurde 1881 schließlich eine Idee geboren, die bis heute eines seiner zentralen Elemente darstellt: die Errichtung von Ehrengräbern. So wurden 1888 sogar die sterblichen Überreste von Ludwig van Beethoven und Franz Schubert von Währing nach Kaiserebersdorf verlegt – der Rest ist Geschichte.

Es wird mit der Zeit …

Die Akzeptanz für die “Totenstadt” stieg. 1891 wurde Simmering gemeinsam mit Kaiserebersdorf zum elften Wiener Gemeindebezirk, von nun an befand sich der Zentralfriedhof offiziell im Stadtgebiet. 1901 schließlich fuhr ihn zudem erstmals auch die elektrische Straßenbahn an; seit 1907 als bis heute bestehende Linie 71. Bevor 1925 die ersten motorisierten Leichenwägen unterwegs waren, wurde die “Bim” ab 1918 auch für Leichentransporte genutzt.

Mit der Aufregung rund um den Friedhof war es allerdings nicht vorbei. 1923 fand gegenüber von Tor 2 in der ein Jahr zuvor fertiggestellten Feuerhalle Simmering die erste Einäscherung statt – neuerlich unter zahlreichen Protesten. Die Stadt Wien hatte sich nämlich einem durch die Bundesregierung erlassenen Verbot von Feuerbestattungen widersetzt, erst der Verfassungsgerichtshof konnte den Konflikt lösen. Das Bestattungswesen fiel ab jetzt in die Zuständigkeit von Gemeinden, in Wien durften Kremationen daher legal durchgeführt werden. Die Zahl der Feuerbestattungen steigt seit damals kontinuierlich an.

Der Wiener Zentralfriedhof kann mehr

Stetig gestiegen ist seit Ende des 19. Jahrhunderts auch die Zahl der berühmten Persönlichkeiten, die auf dem Zentralfriedhof beerdigt sind. Rund 1.000 Ehrengräber findet man auf dem Areal. So sind in der Präsidentengruft vor der 1911 eingeweihten Friedhofskirche “Zum Heiligen Karl Borromäus” alle Bundespräsidenten der Zweiten Republik beigesetzt. Neben weiteren Politiker:innen wie Rosa Jochmann, Hertha Firnberg, Leopold Figl, Victor Adler, Bruno Kreisky oder Helmut Zilk findet man auf dem Wiener Zentralfriedhof  die  Gräber schier unzähliger Prominenter aus Musik und Literatur: Paula von Preradovic, Johannes Brahms, Johann Strauss Vater & Sohn, Franz Schubert, Johann Nestroy. Fans von Bühnen-, Film- und Fernsehstars werden bei Gusti Wolf, Hedy Lamarr, Elfriede Ott, Annie Rosar, Karl Farkas, Fritz Muliar, Paul Löwinger, Willi Resetarits, Udo Jürgens oder Falco ebenso fündig wie an Sport, Medizin, Wissenschaft und Forschung Interessierte.

Der Wiener Zentralfriedhof hat allerdings noch mehr zu bieten als Tausende letzte Ruhestätten und täglich 20 bis 25 Beerdigungen. Als Naherholungsgebiet lädt er zu ausgedehnten Spaziergängen im Grünen abseits der Hektik der Großstadt ebenso ein wie zum Sporteln. Zwei Laufstrecken wurden unter dem Namen “Silent Run” in der “Bewegungsarena” Zentralfriedhof eingerichtet. Auch Radfahren ist erlaubt, neben Tor 2 findet sich sogar ein E-Bike-Verleih. Außerdem findet man auf dem Gelände den “Park der Ruhe und Kraft“, angelegt in der alten Tradition der Geomantie und Gartengestaltung.

Der Zentralfriedhof ist darüber hinaus Lebensraum von zahlreichen Tierarten; neben den gut bekannten Eichhörnchen sind hier auch Dachse, Marder, Turmfalken und sogar Rehe zuhause. Sein Zuhause hat hier zudem das Bestattungsmuseum. Unter der historischen Aufbahrungshalle 2 kann man reale und multimediale Objekte besichtigten und kultige, nicht immer tod(!)ernst gemeinte Merchandise-Produkte kaufen.

Kurz: Der Zentralfriedhof ist nicht nur ein Wiener Wahrzeichen, man kann ihn als Attraktion für die ganze Familie bezeichnen – was ihn wohl einzigartig unter den Friedhöfen dieser Welt macht. Und daher wird mit Sicherheit noch lange gelten: Es lebe der Zentralfriedhof und alle seine Toten …

Zentralfriedhof Präsidentengruft
Präsidentengruft (c) Friedhöfe Wien
Zentralfriedhof Park der Ruhe
Park der Ruhe und Kraft (c) Friedhöfe Wien

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