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“Hat der Tod angeklopft, verliert er den Schrecken”

Mit “Die Holzpyjama-Affäre” schrieb Patrick Budgen einen Krimi rund um Tod, Bestattung und den Zentralfriedhof. Warum aber faszinieren den ORF-Moderator diese Themen so – und inwieweit hat seine (überstandene) Krebserkrankung damit zu tun?

Patrick Budgen ORF
(c) ORF

Auch nach dem Ende eines Lebens menschelt es genauso wie davor.

Patrick Budgen
Patrick Budgen Holzpyjama-Affäre
(c) edition a

Er ist ausgebildeter Journalist, einer breiten Öffentlichkeit als Moderator der ORF-Sendungen “Wien heute” und “Guten Morgen Österreich” bekannt und spricht in seiner samstäglichen Talksendung “Bei Budgen“ regelmäßig mit spannenden Persönlichkeiten: Patrick Budgen wird nicht gerade langweilig – könnte man meinen. Und dennoch: Seit 2021 ist der gebürtige Wiener neben seinem angestammten Beruf auch noch als Buchautor tätig. Und das sehr erfolgreich.

In seinem vielbeachteten Erstlingswerk “Einsiedlerkrebs” behandelte Budgen seine Krebserkrankung, deren Diagnose er ausgerechnet zu Beginn der Corona-Pandemie erhalten hatte. Der Untertitel “Wie ich aus dem schlimmsten Jahr meines Lebens das beste machte” lässt erahnen, dass der heute 40-Jährige mittlerweile wieder ganz gesund ist – und sich mit dem Thema “Tod” humorvoll auseinandersetzen kann.

Auf “Schluss mit lustig”, dem Buch voller Anekdoten rund um das Bestattungswesen, folgte 2023 “Die Holzpyjama-Affäre“: Patrick Budgens erster Kriminalroman um einen ehemaligen Journalisten und nunmehrigen Bestatter, der einen kniffligen Fall zu lösen bekommt. Da drängen sich natürlich ein paar Fragen auf …

“Die Holzpyjama-Affäre” ist bereits Ihr zweites Buch, das sich mit Bestattung und Tod auseinandersetzt. Woher kommt dieses Interesse an diesen Themen?

Patrick Budgen: Es ist weniger der Tod als die Bestattung. Mein Interesse begann bei den vielen Promi-Begräbnissen, über die ich früher als “Wien heute”-Reporter berichtet habe: Peter Alexander, Udo Jürgens, Fritz Muliar, um nur einige zu nennen. In deren Rahmen hat mir Peter Holeczek (der langjährige Leiter der Zentralen Kundenservicestelle der Bestattung Wien, Anm.) immer wieder unglaubliche Geschichten erzählt. Was bei Beerdigungen alles passieren kann, welche skurrilen Wünsche es gibt. So ist das Interesse für den Friedhof und die Bestattung gekommen – und das Buch “Schluss mit lustig”. Danach kam die Überlegung, dass das eigentlich ein idealer Schauplatz für einen Krimi wäre. Und so ist “Die Holzpyjama-Affäre” entstanden.

Sind Sie gerne auf Friedhöfen?

Das kommt auf die Stimmung an. Friedhöfe können sehr erholsam sein; es ist ruhig, man ist in der Natur. Es sind auch sehr geschichtsträchtige Orte. Wenn man aber gerade einen geliebten Menschen verloren hat, verbindet man natürlich andere Emotionen damit.

Haben Sie einen Lieblingsfriedhof?

Den Zentralfriedhof. Er ist so weitläufig, so vielfältig. Man sieht Rehe, Hasen. Es gibt die Konditorei, es gibt die Laufstrecke – wo man die Kalorien gleich wieder abtrainieren kann. Und es gibt das Bestattungsmuseum, wo man “Die Holzpyjama-Affäre” gleich mitnehmen kann (lacht).

Warum geht man in Wien mit Tod und Trauer meist lockerer um als anderswo?

Irgendwie haben wir es in Wien geschafft, dass wir dem Thema “Tod” mit Augenzwinkern und schwarzem Humor begegnen. Das sieht man ja auch an der baba-Werbelinie und am Merchandise des Bestattungsmuseums. Wir haben einfach einen schrägen Humor in Wien.

Der Tod darf also schon lustig sein?

Auch hier kommt es darauf an: Hat man gerade einen geliebten Menschen verloren, ist daran nichts lustig. Aber wenn man den Tod mit Abstand betrachtet, wenn man beispielsweise die Dinge sieht, die sich rund um Bestattungen abspielen, kann das schon heilsam sein. Man sieht dann, dass es auch nach dem Ende eines Lebens genauso menschelt wie davor.

Hat sich durch die Krankheit Ihre Sichtweise auf den Tod verändert?

Ich war 37, als ich krank wurde. In diesem Alter macht man sich normalerweise keine Gedanken über den Tod. Doch wenn man dann von einer lebensbedrohlichen Krankheit betroffen ist, dann ändert sich das plötzlich. Man macht sich auf einmal Gedanken darüber: Wie wäre das, wenn es jetzt vorbei wäre? Was würde ich gerne noch machen? Im Nachhinein betrachtet hab ich in diesem Jahr die Lebenserfahrung gesammelt, die man normalerweise mit 70, 80 hat. Weil ich gesehen habe, dass es nicht ewig weiter geht. Dass es nicht selbstverständlich ist, dass man in der Früh schmerzfrei aufsteht. Dass es ein großes Privileg ist, arbeiten zu gehen, Sport machen zu können, Freunde zu treffen. Ich denke nicht ständig über den Tod nach, aber wenn er schon mal angeklopft hat, wird er schon mehr Teil des Lebens. Und es verliert dadurch auch den Schrecken. Zumindest ein bisschen.

Es gibt Bewegungen, die dem Tod das Tabu nehmen wollen. Wie stehen Sie dazu?

Ich sehe das total positiv. Genauso, wie man öfter über Krankheiten wie Krebs reden sollte. Bevor ich krank war, hab ich bei dem Thema immer weggeschaltet oder weitergeblättert, weil ich mich nicht damit auseinandersetzen wollte. Mittlerweile finde ich es sehr gesund, sich ab und zu damit zu befassen: Was bedeutet das Ende für mich? Wie möchte ich gehen, wie soll das ausschauen? Dann verliert das Ganze, wie erwähnt, an Schrecken.

Sprechen Sie das Thema in Ihrem Umfeld an?

In meinem Umfeld will eigentlich niemand über den Tod reden, ich beiß da auf Granit. Aber ich verstehe das auch. Dafür versuche ich über meine Bücher, dass die Menschen zumindest auf humoristische Weise damit in Berührung kommen. Vielleicht setzt das beim einen oder der anderen ja einen eigenen Prozess im Kopf in Gang.

Für die Recherche am letzten Buch haben Sie einen Tag als Bestatter gearbeitet. Was nehmen Sie von dieser Erfahrung mit?

Was mich am meisten beeindruckt hat, war die Ernsthaftigkeit und der Respekt, den die Mitarbeiter der Bestattung den Verstorbenen entgegenbringen. Ich war wirklich überrascht davon, wie viele Menschen bestattet werden, ohne dass ein einziger Angehöriger zur Trauerfeier kommt. Trotzdem bekommen alle eine würdige Verabschiedung – inklusive Blumenschmuck und Orgelmusik. Das hab ich sehr tröstlich gefunden: Egal, ob man superreich oder ganz arm war, ob man niemanden mehr gehabt hat … Am Ende werden alle gleich behandelt.

Alexander Toth, der Protagonist der “Holzpyjama-Affäre”, ist Journalist, der aufgrund der fehlenden Work-Life-Balance Bestatter wird. Wäre das auch etwas für Sie?

Nein, definitiv nicht! Hut ab, vor allen, die das können. Es war für mich als Journalist spannend, in diese Welt einzutauchen, aber ich könnte das nicht. Ich bin nicht sehr emotional, aber ich würde es nicht schaffen, mich von den Trauernden so abzugrenzen.  Und ich glaube, dass es ein sehr stressiger Beruf ist. Nur, weil es am Friedhof ruhig ist, heißt das nicht, dass auch der Job ein ruhiger ist.

Was wäre aber Patrick Budgen, wenn er nicht Journalist und Autor wäre?

Ich wollte als Kind immer Hoteldirektor werden. Ich war auch in einer Tourismusschule. Wahrscheinlich wäre ich in der Gastronomie gelandet. Ja, das könnte ich mir gut vorstellen.

Wäre es etwas für Sie, nur mehr als Buchautor tätig zu sein?

Mir macht mein Brotberuf sehr viel Spaß, ich finde gerade die Abwechslung am schönsten. Aber das Schreiben ist eine Leidenschaft, die durch die Krankheit entstanden ist und die ich nicht mehr missen möchte. Und wer weiß? Vielleicht wird ein Buch irgendwann einmal ein Weltbestseller, dann können wir ja noch einmal drüber reden (lacht).

Abseits der Krimis, worüber würden Sie noch gerne schreiben?

Ich überleg mir das im Vorfeld gar nicht lange; alle bisherigen Bücher sind spontan entstanden. Also schauen wir mal, wie mich die Muse noch küsst. Derzeit gefällt es mir sehr, Krimis zu schreiben. “Die Holzpyjama-Affäre” ist bereits in der dritten Auflage, ich habe sehr viele Reaktionen von Menschen bekommen, die gerne eine Fortsetzung hätten. Und genau das gehe ich jetzt an: Ich beginne gerade mit der Arbeit am nächsten Fall des Alexander Toth.

Interview: Michi Reichelt

Patrick Budgen Einsiedlerkrebs
(c) edition a

Man sollte öfter über den Tod, aber auch über Krankheiten wie Krebs reden.

Patrick Budgen

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